Anleitung: Intuitives, freies Zeichnen
Das intuitive und freie Zeichnen schult einerseits das Auge und beflügelt andererseits die Fantasie. Denn wir entwickeln eine andere und genauere Sicht auf Details. Schon die ersten Bewegungen reichen aus, um in einen Raum einzutauchen, der viele Formen und kleine Symbole enthält, die nach und nach wie aus dem Nichts auftauchen. Diese Form des Zeichens hat fast den Charakter einer Meditation, bei der das Bekannte und das Unbekannte miteinander verschmelzen.
Intuitiv und frei können wir überall zeichnen, daheim am Schreibtisch und beim Telefonieren oder Fernsehen genauso wie im Wartezimmer, auf einer Parkbank oder unterwegs.
Alles, was wir dafür brauchen, ist ein Stift und ein Stück Papier:
Der Anfang
Wenn wir die leere Fläche vor uns haben, lassen wir den Bleistift sich frei bewegen. Wir lassen den Stift über das Papier wandern, ohne uns Gedanken darüber zu machen, ein bestimmtes Motiv im Hinterkopf zu haben oder uns selbst einzuschränken.
Aber wir kritzeln auch nicht willkürlich und füllen alles aus. Denn es sollen einige Flächen übrig bleiben, die wir später noch gestalten können.
Mit dem Stift folgen wir unserer eigenen, inneren Linie. Diese kann mal ganz gerade, mal bogenförmig und mal geschwungen verlaufen. Die Formen, die auf diese Weise entstehen, bilden nicht nur die Basis für unsere Zeichnung, sondern spiegeln auch unser Inneres wider, das mit jedem weiteren Strich mehr Gestalt annimmt.
Haben wir die erste Etappe der Zeichnung beendet, sieht das Bild aus wie eine Anordnung aus geometrischen und abstrakten Flächen.
Nun gilt es, die zufällig entstandenen, rohen Formen genau zu betrachten und zu verinnerlichen.
Die Gestaltung
Im nächsten Schritt fangen wir damit an, die Linien und Formen zu vervollständigen und ihnen Leben einzuhauchen. Dabei ist unsere Fantasie gefragt. Denn wir erschaffen Formen, die mal rund und mal eckig werden.
Wir zeichnen Linien, die einzelne Flächen miteinander verbinden. Einige dieser Flächen sind klar begrenzt, andere Flächen laufen irgendwo ins Leere. Manche Bereiche bleiben leer und ganz hell, andere Bereiche gestalten wir dunkel.
Beim Zeichnen bekommt die Linie eine besondere Bedeutung. Denn wir bringen buchstäblich unsere ganz eigene Linie zu Papier, die als Botschafterin zwischen unseren inneren Empfindungen und dem nach außen Sichtbaren vermittelt.
Die Linie transportiert, was in dem Moment in uns vorgeht und sich den Weg nach draußen bahnt.
Dementsprechend unterschiedlich können die Flächen aussehen. Wir lassen den Bleistift unkontrolliert über das Blatt schweifen, damit immer wieder neue Formen entstehen können.
Das können bildliche Motive wie Bäume, Blätter oder Blumen, Buchstaben, Zahlen, menschliche Formen wie ganze Gesichter, Augen oder Hände, aber auch einfach nur Kreise, Schnörkel oder abstrakte Kreationen sein.
Flächen, die bis jetzt noch ganz leer sind, füllen wir mit Farbe. Dazu führen wir den Stift in kleinen Bewegungen und mit viel Druck über das Papier, um starke Kontraste zu kreieren.
An anderen Stellen setzen wir enge Linien nebeneinander und verwischen sie mit dem Finger oder einem Wattestäbchen. Dadurch entstehen volle, geschlossene Flächen, die der Zeichnung Tiefe verleihen und sie dreidimensionaler aussehen lassen.
Zwischendurch halten wir immer wieder kurz inne und schauen uns das Bild ganz genau an. Wir lassen die Zeichnung auf uns wirken, um dann mit dem Stift die noch leeren Stellen zu erforschen.
Möglicherweise fallen uns dabei Formen wie Gitter, Netze, Muster oder Tiere ins Auge, die wir weiter ausarbeiten.
Vielleicht haben wir aber auch das Bedürfnis, Symbole einzufügen, Wörter zu schreiben oder einzelne Flächen komplett zu übermalen, weil sie uns irgendwie stören.
Bei all dem ist wichtig, dass wir nicht nach einem festen Plan vorgehen, sondern aus dem Bauchgefühl heraus agieren. Wir streben nicht nach Perfektion, sondern malen frei wie ein kleines Kind. Wir lassen die Linien einfach laufen und schauen, was passiert. Trotzdem achten wir darauf, dass sich das Bild stimmig anfühlt.
Der Feinschliff
Wenn wir das Gefühl haben, dass die Zeichnung fertig ist, lehnen wir uns zurück und betrachten sie. Wirkt sie beendet und so, als wäre ihr nichts mehr hinzuzufügen? Oder haben wir das Bedürfnis, einzelne Flächen oder Formen noch zu verfeinern?
Entscheidend ist, dass wir nicht groß nachdenken, sondern uns komplett auf unsere Intuition verlassen. Das Ziel ist nicht, eine perfekte Zeichnung zu erstellen. Denn das Streben nach Perfektion kann unserem Bild die Unschuld nehmen und seine Seele kosten.
Jede intuitive, freie Zeichnung ist ein Stück weit ein Selbstbildnis. Denn unabhängig davon, wie das Bild am Ende aussieht, sind die Linien, Formen und Details ein Abbild unseres Charakters.
Sie halten unsere Persönlichkeit und unsere Empfindungen in dem Moment fest, in dem sie entstehen. In diesem Sinne ist das intuitive Zeichen nicht einfach nur eine Abwandlung des normalen Zeichnens, sondern eine Art Selbsterforschung.
Es bringt uns auf eine sanfte und ruhige Art uns selbst (wieder) näher. Und aus diesem Grund kommt es auch nicht auf das Ergebnis, sondern auf den Prozess dorthin an.
Beispiel:
Mehr Ratgeber, Vorlagen, Tipps und Anleitungen:
- Helfen Sketchnotes wirklich beim Lernen?
- Das wissenschaftliche Zeichnen
- Geeignete Bilderrahmen für Zeichnungen
- Wie teuer ist die Ausstattung fürs Zeichnen? Teil 3
- Wie teuer ist die Ausstattung fürs Zeichnen? Teil 2
- Wie teuer ist die Ausstattung fürs Zeichnen? Teil 1
- So hilft Zeichnen beim Stressabbau
- Die richtigen Proportionen beim Zeichnen von Porträts, Teil 2
Thema: Anleitung: Intuitives, freies Zeichnen
Übersicht:
Fachartikel
Zeichnen News
Über uns
- Anleitung: Intuitives, freies Zeichnen - 8. Mai 2025
- Helfen Sketchnotes wirklich beim Lernen? - 9. April 2025
- Das wissenschaftliche Zeichnen - 6. März 2025