Was sagen Kritzeleien über uns aus?
Ob im Klassenzimmer, in einem Meeting oder beim Telefonieren: In vielen Situationen erwischen wir uns dabei, wie wir scheinbar gedankenversunken vor uns hin malen. In Schulen und Universitäten zeugen zahllose Tische von solchen Zeichnungen, die nebenbei entstanden sind. Doch was steckt dahinter? Warum zeichnen wir so oft, wenn wir zuhören oder nachdenken? Und was sagen die Kritzeleien über uns aus?
Solchen Fragen sind Psychologen nachgegangen:
Inhalt
Wenn wir in einem Meeting, einem Vortrag, einer Vorlesung oder im Schulunterricht sitzen, fangen wir oft unwillkürlich damit an, herumzumalen. Auch bei einem längeren Telefonat passiert dies häufig.
Wir kritzeln auf einem Block oder der Schreibunterlage herum und zeichnen geometrische Formen, Buchstaben, Blumen oder abstrakte Gebilde. Solche kleinen Kunstwerke des Alltags entstehen in aller Regel dann, wenn sich unser Kopf gerade mit anderen Dingen befasst.
Aber was steckt hinter den Kritzeleien auf Notizzetteln und Tischen? Was geht währenddessen in unserem Kopf vor? Was sagt das Kritzeln über uns aus? Psychologen der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe haben das Phänomen näher untersucht.
Der Auslöser dafür war ein Hörsaal, der saniert werden sollte. Im Verlauf von mehreren Jahrzehnten haben Studenten der Medienproduktion zahlreiche kleine Kunstwerke auf den Tischen und Stühlen im Hörsaal hinterlassen. Bei Vorlesungen und in Seminaren verzierten sie ihre Sitzplätze mit Zeichnungen, Sprüchen und Liebeserklärungen.
Auch wenn die Studenten inzwischen in neue Hörsäle und Seminarräume umgezogen sind, war es der Hochschule ein Anliegen, die bemalten Tische und Stühle aufzubewahren.
Immerhin sind die Möbelstücke in gewisser Hinsicht Dokumente der Zeitgeschichte. Die schönsten Alltags-Kunstwerke aus dem Hörsaal wurden fotografiert und können in einer Online-Ausstellung betrachtet werden.
Kritzeln zeugt von Konzentration
Lehrer oder Redner sind oft nicht unbedingt angetan, wenn sich ihre Zuhörer auf Papier oder Mobiliar verewigen. Schließlich sollen sie aufmerksam und konzentriert zuhören, und nicht irgendwelche Bildchen zeichnen. Zumal das Kritzeln eher dafür spricht, dass sich die Zuhörer langweilen und deshalb ablenken.
Dass letztere Annahme nicht stimmt, kann die Psychologie richtigstellen. Dass jemand herumkritzelt, muss nicht automatisch bedeuten, dass er unaufmerksam ist und sich mit etwas anderem beschäftigt.
Ganz im Gegenteil kann es sogar die Konzentration steigern, während eines Vortrags oder Telefonats zu malen. Aufmerksamkeit und Kritzeleien stehen nicht im Widerspruch zueinander.
Tatsächlich hilft das Kritzeln sogar dabei, konzentriert bei der Sache zu bleiben. Denn auf diese Weise werden Prozesse aktiviert, die das Erfassen und Verarbeiten der Inhalte fördern und dazu beitragen, dass wir mit den Gedanken gerade nicht abschweifen.
Es gibt Studien, die belegen, dass die Gedächtnisleistung während des Kritzelns um bis zu 30 Prozent verbessert werden kann. Inhalte, die ins Gedächtnis gelangen, wenn wir zuhören und dabei malen, können demnach einige Tage später um bis zu 30 Prozent besser abgerufen werden.
Kritzeleien haben verschiedene Bedeutungen
Zu den klassischen Motiven für Kritzeleien gehören geometrische Figuren und florale Muster. Beide Varianten haben eine Funktion. Geometrische Formen deutet die Psychologie als den Versuch, Ordnung und Struktur in einen Sachverhalt zu bringen.
Wenn wir Dreiecke, Vierecke, Kreise, Pfeile und ähnliche Figuren zeichnen, setzen wir uns intensiv mit einem Problem auseinander und suchen nach einer Lösung für eine Frage. Besonders spannend sind geometrische Formen, die zum Teil ausgemalt sind und zum Teil nicht.
Zeichnen wir zum Beispiel zwei Kästchen, von denen wir eines dunkel ausfüllen, kann das laut Psychologie ein Hinweis darauf sein, dass wir verschiedene Optionen abwägen oder Schwierigkeiten dabei haben, uns für eine Möglichkeit zu entscheiden.
Im Unterschied dazu spiegeln Blumen und andere florale Motive eher eine Stimmung wider.
Der Zeichner ist entweder schon gut gelaunt oder er möchte sich durch das Kritzeln in eine positive Stimmung versetzen. Insgesamt stehen Blumen aber für eine positive Grundhaltung.
Ein anderes Motiv, das für Kritzeleien typisch ist, ist ein stilisiertes Auge. Die Psychologie vermutet hinter dem Augenmotiv einen kritischen Blick, der sich auf einen selbst, eine andere Person oder ein bestimmtes Thema richten kann.
Das mit Abstand häufigste Motiv von gedankenversunkenen Kritzeleien sind aber Buchstaben und Namen. Die Psychologie führt das auf den unbewussten oder bewussten Wunsch zurück, Spuren zu hinterlassen.
Das Bedürfnis, sich zu verewigen und zu dokumentieren, hier gewesen zu sein, ist vermutlich schon so alt wie die Menschheit selbst. Höhlenmalereien aus der Steinzeit sind eindrucksvolle Belege dafür.
Ob jemand das menschliche Bedürfnis, Spuren zu hinterlassen, mit seinem vollen Namen, den Initialen oder einem anderen Symbol erfüllt, ist nebensächlich. Oft kommt die Person irgendwann wieder an den Ort zurück, an dem sie sich verewigt hat.
Beim Anblick der hinterlassenen Zeichnung kann sie sich gut in die damalige Zeit zurückversetzen oder sich genau daran erinnern, wie die Situation seinerzeit war. Ein schönes Beispiel dafür ist das Herz mit den Initialen, das frisch Verliebte gerne in einen Baum ritzen.
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